03.05.2022

Börsen im April: Trübe Aussichten

Das Kapitalmarktumfeld: allgegenwärtige Sorgen

Die Perspektive für die globale Konjunktur wird derzeit durch eine Gemengelage verschiedener, jeweils für sich genommen schon stark belastender Faktoren deutlich gedämpft. Die im Zuge der Ukrainekrise entstehenden Unsicherheiten und Produktionsunterbrechungen sorgen für anhaltend hohe Rohstoff- und Energiepreise sowie fehlende Vorprodukte in einigen Branchen mit der Folge sinkender Investitions- und Konsumbereitschaft. Entsprechend sank der GfK-Konsumklimaindex für Deutschland im April auf einen historischen Tiefstand. Der grundsätzlich positive Effekt des Wegfalls vieler Corona-Restriktionen in Europa wird durch stark steigende Lebenshaltungskosten überkompensiert, wenngleich in einzelnen Branchen wie dem Gastgewerbe, dem Handel, dem Tourismus oder bei Veranstaltern eine wirtschaftliche Erholung in den kommenden Monaten trotzdem erwartbar ist. Die Industrie hingegen leidet weiterhin unter globalen Lieferkettenstörungen, die durch die immer weiter reichenden Lockdowns in diversen chinesischen Millionenmetropolen wieder zugenommen haben. Folgeeffekte, wie große Halden leerer Container, führen auch in anderen weltweit bedeutenden Containerhäfen zu erneut zunehmenden Abfertigungsstaus. Die letzte Veröffentlichung des ifo-Geschäftsklimaindex zeigte demzufolge nach dem Absturz im März nur eine leichte Erholung, zumal mittlerweile auch die bisher noch robuste Bauwirtschaft zunehmend durch Lieferengpässe in Mitleidenschaft gezogen wird.

Der anhaltend hohe Preisdruck für Unternehmen in Deutschland wurde durch einen rekordhohen Anstieg der Erzeugerpreise im März um 4,9 Prozent bzw. 30,9 Prozent im Vorjahresvergleich unterstrichen. Die Verbraucherpreise zogen ebenfalls erneut an, auf jetzt 7,3 Prozent. In den USA stieg die Inflation im März sogar auf 8,5 Prozent. Angesichts der parallel erreichten Vollbeschäftigung und entsprechend stark steigendem Lohndruck deutet sich ein immer restriktiverer geldpolitischer Kurs der US-Notenbank Fed an. Erwartet werden mittlerweile ein Anstieg der Leitzinsen auf mehr als 3 Prozent sowie eine Reduktion der Notenbankbilanz beginnend ab Mai um bis zu 95 Mrd. US-Dollar pro Monat. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat mittlerweile zumindest ein Ende der Wertpapierkäufe im 3. Quartal in Aussicht gestellt. Auf Basis ihrer neuen Projektionen für Konjunktur und Inflation für die Jahre 2023 und 2024 dürfte in der kommenden EZB-Ratssitzung am 9. Juni zudem eine Leitzinsanhebung im 2. Halbjahr konkreter angedeutet oder sogar angekündigt werden.

Zinsen: weiter steigend

Im Zuge weiter steigender Inflationsraten zogen auch die Renditen für Staatsanleihen erneut an, für zehnjährige Bundesanleihen bis auf 0,94 Prozent p.a. Ende April. Mittlerweile liegt ab zwei Jahren Laufzeit die gesamte Zinskurve im positiven Bereich. Für US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit stieg die Rendite bis auf 2,94 Prozent p.a. an. Auch im Bereich der Staatsanleihen aus anderen Eurostaaten sowie bei Unternehmensanleihen waren höhere Verzinsungen und damit Kursverluste bei bestehenden Positionen zu verzeichnen.

Aktien: überwiegend schwächer

Nach der Kursrallye vieler Aktienindizes im März kehrte im April Ernüchterung ein. Zu stark überwogen offensichtlich die negativen Einflussfaktoren, so dass der deutsche Leitindex DAX um gut 2 Prozent auf 14.098 Punkte nachgab. Noch stärker ging es allerdings aufgrund der höheren Sensitivität in einem Umfeld steigender Zinsen für US-Aktien des S&P 500 mit einem Minus in Höhe von knapp 9 Prozent sowie für den Technologieaktienindex NASDAQ 100 mit knapp 15 Prozent Kursverlust bergab.

Währungen: US-Dollar steht sehr fest

Ebenfalls deutlich schwächer entwickelte sich der Euro im Vergleich zum US-Dollar. So gab die Gemeinschaftswährung von 1,11 Ende März auf 1,05 EUR/USD nach. Verglichen mit dem Schweizer Franken und dem japanischen Yen hingegen konnte der Euro leicht zulegen. Der US-Dollar konnte somit im Zuge immer stärker steigender Zinserwartungen in den USA gegenüber internationalen Währungen zumeist deutlich zulegen.

Rohstoffe: unter Schwankungen seitwärts

Der Preis für eine Feinunze Gold gab im April bis auf 1.897 US-Dollar nach. Die Rohölnotierungen stabilisierten sich hingegen auf hohen Niveaus. Die Nordseesorte Brent fiel nur kurzzeitig unter die Marke von 100 US-Dollar und notierte Ende April bei 108,61 US-Dollar erneut höher.

Crypto Assets

Sowohl die Notierungen des Bitcoin als auch der Kurs von Ethereum gaben erneut deutlich von mehr als 45.000 auf nur noch gut 38.000 US-Dollar bzw. von 3.300 auf unter 2.800 US-Dollar nach.

Implikationen für Anleger

Für Anleger gestaltet sich der bisherige Jahresverlauf weiterhin sehr komplex. Angesichts allgegenwärtiger und zuletzt vielfach noch verschärfter Risiken überwog im April nach einer kurzen Hoffnungsphase im März wieder der Pessimismus. Massiv steigende Zinsen sorgten dabei nicht nur für erhebliche Verluste im Segment der Anleihen. Vor allem werden auch die hohen Bewertungen nahezu aller anderen Anlageklassen hinterfragt und einer Überprüfung unterzogen. Wenn mit Staatsanleihen zumindest nominal wieder Zinsen im positiven Bereich verdient werden können, dürften in der aktuell unsicheren Gemengelage einige auch bald wieder verstärkt verzinslich anlegen, so dass der außergewöhnlich schnelle Zinsanstieg seit Januar trotz anhaltend hoher Inflationsraten und dadurch überwiegend negativer Realzinsen, in den kommenden Monaten etwas langsamer vonstattengehen dürfte. An den Aktienmärkten hingegen ist kurzfristig noch keine Bodenbildung der seit dem 1. Quartal etablierten Abwärtstrends erkennbar. Zu unberechenbar sind derzeit die Konjunkturerwartungen für den weiteren Jahresverlauf und damit auch die Gewinnprognosen vieler Unternehmen. Der Euro dürfte sich erst bei einer konkreten Aussicht auf den Einstieg der EZB in die überfällige Zinswende stabilisieren. Vorerst bietet sich daher an, die Kapitalanlage weiterhin etwas vorsichtiger zu gestalten, selbst wenn bei einer überraschenden Trendwende für Risikoanlagen – die aktuell kaum absehbar ist – erst etwas später der Einstieg gelingt. Die mittel- bis langfristigen Perspektiven bleiben aber positiv und dürfen bei aller akuter Sorge nicht aus dem Blick geraten, denn massive Investitionen zur Steigerung der Resilienz sind in den kommenden Jahren absehbar. Staaten werden nicht nur ihre digitale Infrastruktur modernisieren. Auch die robustere Aufstellung der Gesundheitssysteme und die Steigerung der Unabhängigkeit von fossilen Energierohstoffen werden angegangen. Zudem kann in Deutschland mit einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gerechnet werden. Auch Unternehmen werden in die Dekarbonisierung ihrer Produktion investieren, ihre Geschäftsabläufe an die neuen geopolitischen Gegebenheiten anpassen und Lieferketten robuster aufstellen. Mit diesen Veränderungen werden in den kommenden Jahren auch für Anleger wieder enorme Chancen entstehen, die an den Kapitalmärkten wie immer rechtzeitig eingepreist werden dürften.

Carsten Mumm

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Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt bei DONNER & REUSCHEL, fasst regelmäßig die Markt- und Meinungslage für Sie zusammen.

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