Drohende Zölle sorgen weiterhin für Unsicherheit
Auch im kommenden Jahr dürfte ein wesentlicher Einflussfaktor jegliche Konjunktur- und Kapitalmarktprognose erschweren: Donald Trump. Es ist davon auszugehen, dass der US-Präsident immer wieder sein „Lieblingsinstrument“, Zölle, dafür nutzen wird, ihm unliebsame politische Entwicklungen in anderen Staaten zu sanktionieren und für ihn bzw. die USA vorteilhafte Regelungen zu erzwingen. Da der Handelskonflikt nahezu alle Regionen der Welt mehr oder weniger stark betrifft, sind für Europa auch indirekte Rückwirkungen zu beachten, bspw. die Umlenkung von chinesischen Handelsströmen infolge von Zollerhebungen der USA gegenüber dem Reich der Mitte. Auch innen- oder sicherheitspolitische Akzente der US-Regierung können Auswirkungen auf hiesige Politik und Unternehmen entfalten.
Chancen nutzen durch ein unabhängiges Europa
Die Konsequenz daraus ist nicht neu, aber umso dringender. Europa muss sein Schicksal selbst in die Hand nehmen, wie es Angela Merkel schon im Jahr 2017 während der ersten Amtszeit Trumps passend anmerkte. Diese Notwendigkeit ist offensichtlicher denn je und betrifft sowohl die Sicherheits-, Handels-, und Energiepolitik als auch die Wirtschaftspolitik. Es gilt, die Standortattraktivität durch Strukturreformen zu erhöhen, um Unternehmen, Wissenschaft und Kapital in einem Umfeld, in dem die politischen Risiken und rechtlichen Unsicherheiten in den USA zunehmen, ein eigenes, attraktives Systemangebot mit einem Fokus auf Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Demokratie, unabhängige Geldpolitik und Freihandel zu unterbreiten.
Ich bleibe dabei: Der enorm steigende Veränderungsdruck dürfte die Handlungs- und Einigungsbereitschaft innerhalb Europas erhöhen und könnte kaum für möglich zu haltende Fortschritte nach sich ziehen. Nicht zuletzt die im nächsten Jahr in Deutschland anstehenden Landtagswahlen, unter anderem in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, könnten die Regierungskoalition unter Zugzwang setzen. Europa hat eine historische Chance, gestärkt aus dieser turbulenten multiplen Transformationsphase hervorzugehen.
Verbesserte Wachstumsperspektiven
Die globale Wachstumsdynamik dürfte künftig etwas schwächer ausfallen, vor allem aufgrund einer konjunkturellen Abkühlung in den USA und einer anhaltenden Phase mit niedrigeren Wachstumsniveaus in China, zu der das zunehmend protektionistische Umfeld maßgeblich beiträgt. Die deutsche Industrie wird zwar weiter unter einer schwachen Exportnachfrage leiden, allerdings sorgen staatliche Investitionen zur Ertüchtigung der Infrastruktur und der Verteidigungsfähigkeit ab dem Jahr 2026 für einen schuldenfinanzierten Aufschwung. Das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft dürfte dadurch um gut ein Prozent zulegen, ein Wert der seit dem Nach-Corona-Boom des Jahres 2021 nicht mehr erreicht wurde. Für die Eurozone wird mit 1,1 Prozent immerhin ein stabiles Wachstum erwartet. Für eine stärkere Belebung der Wirtschaft bräuchte es jedoch die schon angesprochenen Strukturreformen oder zumindest klare Anzeichen für künftig sinkende Abgaben, regulatorische Entlastungen, schnellere behördliche Abläufe und eine Stärkung des Arbeitsangebots. Nur dann könnte die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch ein konstruktiveres Zukunftsbild von Konsumenten und Unternehmen zusätzlich steigen und in einen selbsttragenden Aufschwung resultieren. Die Inflation dürfte in der Eurozone aufgrund anhaltend niedriger Energiepreise und durch den im Vergleich zum Dollar aufgewerteten Euro nahe der Zielzone der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2 Prozent verharren.
Stabile Zinsniveaus – finanzielle Repression
Nur im Fall einer unerwartet deutlich schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung oder einer weiteren starken Aufwertung des Euro ist vonseiten der EZB mit erneuten Leitzinssenkungen zu rechnen. Damit werden auch die Verzinsungen von Konto- und Termineinlagen auf den derzeitigen Niveaus bleiben und im Vergleich zur Inflation keinen realen Mehrwert liefern können. Renditen von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten und Kreditkonditionen könnten im Verlauf des Jahres 2026 mit einer zunehmenden Wachstumsbeschleunigung und angesichts steigender Staatsschulden zulegen. In den USA hingegen dürfte die US-Notenbank Fed unter anhaltendem politischen Druck die Leitzinsen weiter absenken.
Reale und Krypto-Anlagen bleiben gefragt
Die Aussicht auf global stark steigende Staatsverschuldungen in einem Umfeld höherer Zinsen und damit sinkende Finanzierungsspielräume der Regierungen dürfte die geldpolitische Unabhängigkeit von Notenbanken weiter unterminieren. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit strukturell höherer Inflationsraten in den kommenden Jahren. Für Kapitalanleger rücken daher reale, inflationskompensierende Anlagen immer stärker in den Fokus, während nominale Werte, wie bspw. festverzinsliche Anleihen, unattraktiver werden. Eine Absicherung gegen Inflation ermöglichen grundsätzlich Aktien, Immobilien und Edelmetalle. Obwohl Aktienindizes, Gold und Silber in den letzten Monaten schon vielfach neue Allzeithöchststände erreicht haben, bleiben die Aussichten für weitere Kursgewinne daher gegeben – auch wenn zwischenzeitlich größere Korrekturen einkalkuliert werden müssen. Bei Immobilen erwarten wir vor allem im Segment Wohnen in Deutschland weitere Preissteigerungen, denn der Zuzug in die Metropolregionen bei gleichzeitig seit Jahren sehr schwacher Bautätigkeit sorgt für ein zunehmendes Unterangebot an Wohnraum. Die Kombination aus geopolitischen Risiken und im Vergleich zur Vor-Coronazeit höheren Inflationsraten dürfte zudem die Nachfrage nach Bitcoin & Co. auf hohem Niveau halten.
Anleger sollten verschiedenste Szenarien im Blick haben
Die rasanten politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre und damit volatilen Börsenphasen dürften uns noch einige Zeit erhalten bleiben. Auch im Bereich der Kapitalanlage sollte man sich daher möglichst flexibel aufstellen. Da es jedoch kaum möglich ist, jedes Szenario – auch die „undenkbaren“ – im Vorwege zu antizipieren, ist eine breite Risikostreuung eine der wichtigsten Voraussetzungen für den künftigen Anlagerfolg. Wer diese beherzigt und parallel unter den Unternehmen auf die Gewinner der laufenden Transformationen setzt, kann deutlich ruhiger durch die raue See navigieren.